Interview mit dem Pharmakologen und Toxikologen Univ. Prof. Bernhard Michael Mayer Ist Dampfen gesünder als Rauchen?
Autor: Clemens Perktold aus Imst
IMST. Mit 1. November 2019 trat das Rauchgesetz in Kraft. Die BEZIRKSBLÄTTER führten mit dem Pharmakologen und Toxikologen Univ. Prof. Bernhard Michael Mayer ein Interview über das Rauchen und die scheinbare Alternative - die E-Zigarette.
BEZIRKSBLÄTTER: Sie haben auch
gegenüber public die Gleichstellung des Rauchens von Tabak- und
E-Zigaretten als schwerwiegenden gesundheitspolitischen Fehler
bezeichnet. Fanden Ihre Bedenken in der Zwischenzeit Gehör?
"Meine Bedenken fanden kein Gehör. Auch mein Vorschlag, im Rahmen des
generellen Rauchverbots in der Gastronomie den Betreibern von
Gaststätten die Möglichkeit einzuräumen, das Dampfen in ihren
derzeitigen Raucherbereichen zu gestatten, wurde ignoriert. Durch die
Gleichstellung von E-Zigaretten mit Tabakzigaretten vermittelt man das
falsche Signal vergleichbarer Schädlichkeit, anstatt Rauchern Anreize
zum Umstieg auf eine um Größenordnungen weniger schädliche Alternative
zu bieten. Im Unterschied zu Deutschland, hat man in Österreich
offensichtlich kein dringendes Bedürfnis nach sachlicher Begründung von
Gesetzen."
In den USA findet seit Sommer 2019 eine verwirrende
Debatte rund um die Gefährlichkeit der Liquids für E-Zigaretten statt.
Wodurch wurde diese Auseinandersetzung ausgelöst?
"E-Zigaretten sind seit über 10 Jahren am Markt, weltweit dampfen etwa
50 Millionen Menschen ohne gesundheitliche Probleme. Die auf USA
begrenzten Erkrankungen und Todesfälle beruhen nicht auf dem Gebrauch
konventioneller E-Zigaretten, sondern auf dem Dampfen von
Cannabis-Produkten, die mit gefährlichen illegalen Stoffen gestreckt und
auf der Straße verkauft wurden. Das wurde kürzlich von Experten in
Deutschland mehrfach klargestellt. "Bundesamt sieht keine erhöhte Gefahr
durch E-Zigaretten" meldete die Frankfurter Allgemeine am 10. 10. 2019
unter Berufung auf Dr. Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für
Risikobewertung. 'Es wäre fatal, wenn Menschen wegen der Krankheitsfälle
nicht von herkömmlichen auf E-Zigaretten umsteigen oder wenn Dampfer
wieder zu Zigaretten zurückkehren' wird Frau Dr. Mons, Leiterin der
Stabsstelle für Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum, in
der Welt am Sonntag vom 6. 10. 2019 zitiert. 'Schuld tragen nach
neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen spezielle Substanzen, mit
denen die THC-Öle der 'E-Joints' gestreckt wurden. Die herkömmliche
E-Zigarette hat damit gar nichts zu tun' erklärte auch der Suchtforscher
Prof. Dr. Heino Stöver auf der 2. Fachtagung über E-Zigaretten am 10.
10. 2019 in Frankfurt."
Welche Folgen haben die sich wie ein
Lauffeuer verbreitenden Meldungen über die angeblich tödlichen Folgen
des E-Zigarettenrauchens bislang gezeigt?
"Die Gesundheitsbehörden in USA, allen voran die Centers of Disease
Control (CDC), haben es verabsäumt zu kommunizieren, dass konventionelle
Liquids unbedenklich sind und vor dem Gebrauch gefälschter
Cannabis-Produkte zu warnen. Dadurch nimmt die Anzahl an Erkrankungen
und Todesopfern weiter zu, Raucher werden vom Umstieg auf das Dampfen
abgehalten und dampfende Ex-Raucher kehren wieder zum Rauchen zurück.
Diesen gesundheitspolitischen Skandal haben die CDC zu verantworten."
Mit welchen weiteren Folgen rechnen Sie?
"Die Folgen sind bereits jetzt als Umsatzeinbrüche und Schließungen von
Dampfshops ersichtlich. Außerdem benutzen Interessensgruppen die
Erkrankungen als Argument für die Durchsetzung seit langem angestrebter
Verbote von angeblich kinderfreundlichen Aromastoffen. Ein Zusammenhang
zwischen der kolportierten Tödlichkeit des Dampfens und - auch von
Erwachsenen geschätzen - Lebensmittelaromen ist allerdings nicht
ersichtlich. Es bleibt zu hoffen, dass sich möglichst bald die Vernunft
durchsetzt und Entscheidungsträger erkennen, dass die Probleme in USA
nichts mit konventionellen E-Zigaretten zu tun haben."
Die
Debatte wird längst global geführt. In Deutschland kam in dem
Zusammenhang das Aktionsbündnis Nichtrauchen - etwa im SPIEGEL - ins
Kreuzfeuer der Kritik. Warum?
"Die im Spiegel-Artikel thematisierte Verknüpfung des ABNR mit der
Pharmaindustrie stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. Zahlreiche
Gesundheitsorganisationen, allen voran die WHO, hängen am Tropf der
Pharmaindustrie. E-Zigaretten bedrohen deren Umsätze mit nikotinhaltigen
Produkten zur Raucherentwöhnung und Arzneimitteln zur Behandlung von
Folgeerkrankungen des Rauchens. Außerdem bieten viele Ärzte
kostenpflichtige Seminare zur Raucherentwöhnung an, ein Geschäftsfeld
das durch E-Zigaretten obsolet zu werden droht. Medizinische
Fachgesellschaften zwingen Ärzte, deren Diktion öffentlich zu vertreten.
Tun sie das nicht, riskieren sie Reputation und Karriere. Die
Europäische Gesellschaft der Lungenärzte hat kürzlich ihren Mitgliedern
unter Androhung von Ausschluss untersagt mit Herstellern von
E-Zigaretten zu kooperieren. Da besteht offenbar Sorge, die
gesundheitlichen Vorteile des Dampfens könnten durch die Ergebnisse
weiterer klinischer Studien bestätigt werden."
Auch in
vermeintlich unabhängigen österreichischen Medien wurden Experten
zitiert, die davon sprachen, dass das Rauchen von E-Zigaretten die
gleichen gesundheitlichen Schäden auslöst, wie das Tabakrauchen. Wie
erklären Sie sich die Unausgewogenheit der Berichterstattung?
"Die Medien sind an reißerischen Geschichten interessiert. Dazu werden
Presseaussendungen diverser Organisationen unreflektiert übernommen und
mit knalligen Titeln versehen. 'Menschen sterben durch Rauchen von
E-Zigaretten' meldete die Kronen Zeitung am 12. 9. 2019.
Differenziertere Berichterstattung würde man in Österreich vom ORF
erwarten, der gesetzlich zu sachlicher Information verpflichtet ist. In
dem Fall agiert der ORF allerdings als Staatsfernsehen, das im Auftrag
der Bundesregierung die Meinung der Bevölkerung manipuliert. Dazu wurden
in den vergangenen Wochen handverlesene Personen als sogenannte
Experten befragt, die den wissenschaftlichen Konsens über das geringe
Schädlichkeitpotential von E-Zigaretten ignoriert und der Bevölkerung
ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit vermittelt haben. Besonders
erschütternd ist der Auftritt von Prof. Meryn in der Sendung Bewusst
Gesund, in der er E-Zigaretten als gleich schädlich wie Tabakzigaretten
klassifizierte und die potentiell tödlichen illegalen Cannabis-Produkte
mit keinem Wort erwähnte. Über die Ursachen dieser skandalösen
Desinformation kann ich nur spekulieren. Förderung von Pharma- und
Tabakindustrie wären ebenso naheliegende Motive wie die Sorge der
Bundesregierung vor reduzierten Einnahmen aus der Tabaksteuer."
Der
SPIEGEL berichtete Ende September 2019 unter anderem darüber, dass
Konsumenten von E-Zigaretten aufgrund der Debatte wieder vermehrt auf
das Rauchen von Tabakzigaretten umsteigen. Was sagen Sie dazu?
"Dazu zitiere ich Frau Dr. Mons: Das wäre fatal. E-Zigaretten bieten
eine historisch einzigartige Chance für Tabakprävention. Um diese Chance
zu nutzen, muss man Raucher über die dokumentierten gesundheitlichen
Vorteile des Umstiegs informieren anstatt sie abzuschrecken."
Vielfach wurde bereits davon geschrieben bzw. gesprochen, dass "die E-Zigarette" ruiniert ist. Ist sie das?
"Das glaube ich nicht, bei 50 Millionen Dampfern weltweit lässt sich die
Entwicklung nicht mehr stoppen. Allerdings befürchte ich, dass auch bei
uns mit dem vorgeschobenen Argument der Gesundheitsvorsorge aufwändige
Zulassungsverfahren gesetzlich verankert werden, die nur für die Big
Player finanzierbar wären. Das hätte zur Folge, dass kleine Betriebe auf
der Strecke blieben, die breite Vielfalt an Geräten verloren ginge, und
nur proprietäre Systeme der Tabakindustrie überleben würden. Aber
Prognosen sind bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft
betreffen."